Ist das Kunst oder kann das weg?

Der ARD PiNball, im Moment in der Runde 2016, nennt sich selbst Wettbewerb der freien Hörspielszene. Ohne mit der Wimper zu zucken wird hier Klangkunst als Hörspiel verkauft. Nur die wenigsten Stücke würde die breite Masse als Hörspiel wahrnehmen. Meine persönliche Meinung…

Bandsalat

Ray Larabie – Tape Wreck III, CC-BY

Als Mensch, der selbst einmal etwas eingereicht hat, das abgelehnt wurde, bin ich möglicherweise nicht objektiv. Soviel vorweg. Auch mein Kunstlehrer von früher würde mich sicher nicht als Menschen klassifizieren, der zu sowas überhaupt eine Meinung haben darf. Aber ich möchte sie an dieser Stelle trotzdem äußern. Der reißerische Titel spiegelt nicht 100% meine Meinung wieder, trotzdem wird über vieles in den höchsten Tönen gesprochen, was man beileibe auch kritisieren sollte.

Dazu zählt zum Beispiel der Hauptpreisträger 2014. Ums nochmal zu strapazieren: Ist das Kunst oder kann das weg? Vielleicht beginne ich damit, wie ich Kunst definiere: Kunst ist für mich etwas, das berührt, das vor allem auch das Potential hat überhaupt zu berühren. Ich sags ganz offen: Eine weiße Leinwand (in deren Hinterhalt ich in einem Museum für moderne Kunst geriet) ist das für mich nicht. Wie diese Berührung statt findet ist in erster Linie zweitrangig. Ob ich zum Nachdenken und Reflektieren angeregt werde oder mich einfach nur unterhalten fühle (rein ästhetisch ist hier völlig ausreichend).

Und damit kommen wir zu meinem Dilemma. Ich höre eine Klangcollage, die sich nach einem einzelnen Take anhört. Sie sagt mir gar nichts, ich höre keinen Sinn, keinen roten Faden, keinen Zweck, noch nicht mal akustisch Interessantes oder Wortspiele. Die Jurybegründung für den ersten Platz spricht von einem Spiel, der Ignoranz gängiger Hörspielkonventionen und phantasievoller Kollektivimprovisation. Ich halte es für möglich, dass ich Menschen in meinem Bekanntenkreis habe, die damit etwas anfangen, ja die dem sogar etwas abgewinnen können. Allerdings möchte ich die Frage stellen, ist das Werk so bedeutsam, dass es einen ersten Platz in einem solchen Wettbewerb verdient? Die Improvisation, das Spiel genügt hier?

Kommen wir zu den nominierten von 2015. Ich habe nur ein einziges Stück gehört, das ich gerade eben als Hörspiel durchgehen lassen würde: „Radiodrama“. Alles andere ist verradioter Poetryslam und Performance-Art. Dass das nicht unbedingt schlecht sein muss, zeigt beeindruckend „Meiers prähistorisches Hirn“, ob es sich um Fiktion oder Wirklichkeit handelt, lässt sich schlecht sagen, ich halte es für Wirklichkeit. In beiden Fällen ist es wahrlich gut inszeniert und lässt einen mit einem Schauer auf der Haut zurück. Ich fühle mich unterhalten, zum nachdenken angeregt. Es ist technisch einwandfrei. Ich werde berührt. Allerdings empfehle ich auch die beschreibende Seite zu lesen.

Gar nicht berührt bin ich hingegen vom „Sekundenschlaf“, das ich bedauerlicherweise zuerst gehört habe. Die Performance-Kunst wird hier ins Radio gebracht und die Story driftet durch die Erzählung auditiver Maßnahmen zur kunstgebildeten Hörerbeeindruckung. Zumindest mein ästhetischer Sinn wird in gewisser Weise angesprochen, trotzdem ist es anstrengend und bringt den Bogen nicht zuende. Schade, mit einer knackigen Pointe, wäre meine Meinung unter Umständen im Gegenteil gelandet.

Das „Radiodrama“ ist in mehreren Bereichen schön. Auf der einen Seite lässt es das Ohr ‚arbeiten‘, weil der Dialog in zwei unterschiedlichen Ebenen präsentiert wird, die aber bewusst gesetzt scheinen. Auf der anderen Seite führt der mehr oder weniger dramatische Spannungsbogen zu einem Ende, dass einem garantiert noch einige Zeit nachklingt und damit in meinen Augen genau das tut, was ein Hörspiel oder Hörkunst in meinen Augen tun kann und hier auch sollte. Persönlich hätte ich den Schluss etwas anders realisiert, was aber nörgeln auf extrem hohem Niveau ist.

Es bleiben „W“ und „Wo sind die bloß“. Beide leiden unter dem gleichen Problem: Sie haben eine Idee, die sie nicht konsequent zu Ende denken und den Hörer mitnehmen. Wo „W“ als Radioversion eines Poetryslams erklingt aber durch wechselnde Rollen, die nahezu nicht zuzuordnen sind, das Verständnis so stark erschwert, dass es einfach keinen Spaß mehr macht, da ist „Wo sind sie bloß“ ZU authentisch. Wenn es sich um eine gescriptete Studioproduktion handeln sollte, ist es nahezu perfekt geschnitten und aufbereitet, wenn einen die Story auch mehr oder weniger als Situations-ausschnitt allein lässt. Ich vermute jedoch, dass es sich um eine mehr oder weniger gespielte mitgeschnittene Realität handelt. Und was hier beim Prähistorischen Hirn (s.o.) ganz fantastisch funktioniert, tut es hier leider nicht mehr, da Sinn und Zweck auf der Strecke bleiben.

Abschließend kann ich drei Dinge sagen: Das Hirn und das Drama sind meine klaren Favoriten, ich glaube aber nicht, dass eins von ihnen gewinnen wird. Zweitens, ohne die erklärenden Unterseiten hätte ich einige Dinge niemals verstanden. Und drittens, in meinen Augen würde die ARD gut daran tun, ehrlich zu sich zu sein, und den PiNball als  „Wettbewerb der freien Hörkunst“ (oder wenistens Hörspielkunst) zu bezeichnen. Auch wenn Wikipedia (ja, ich weiß, dass es sich nicht um eine verlässliche Quelle handelt) mehrfach von fließenden Übergängen spricht, so erwarte ich doch bei einem Wettbewerb freier Hörspielmacher mehr Geschichte und Dialog, als das an dieser Stelle üblich zu sein scheint.

Inzwischen sind die nominierten 2016 bekannt gegeben. Mal sehen, ob und wann ich mich dazu hinreißen lassen kann diese zu hören. Mein Kunstlehrer würde sagen: Setzen, 6.

apw

Axel ist Elektrotechniker in Forschung, Planung und Fertigung. Er schreibt über Spiele, Hörspiele, Technik, Geocaching und vieles weitere.

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